Lesefahrt 2022 - Pfarrkirche St. Elisabeth und Synagoge - Eine Führung mit Dieter Gube

Im Koblenzer Stadtteil Rauental – gelegen zwischen Innenstadt und Moselweiß, zwischen Goldgrube und der Mosel – befinden sich seit vielen Jahren die Gotteshäuser aller drei großen Religionen, die sich auf den Gott von Abraham, Isaak und Jakob berufen: das Judentum, das Christentum und der Islam.

Elisabeth-Kirche – 2022

Zwei dieser Gotteshäuser standen im Juli auf dem Programm einer Besichtigung der Lese: die Kirche St. Elisabeth und die Synagoge sowie der dazugehörige jüdische Friedhof.

Mit der Pfarrkirche St. Elisabeth befindet sich eine der bedeutendsten Kirchen der 1950er Jahre in Koblenz.
Sie ist ein geschütztes Kulturdenkmal und in der Denkmalliste des Landes Rheinland-Pfalz eingetragen. Seit 2002 ist die Kirche auch ausdrücklich ein Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal.
Lese-Vorstandsmitglied Dieter Gube, der im Schatten der St. Elisabethkirche aufgewachsen ist und dort über 20 Jahre Ministrant und Lektor war sowie viele Jahre auch im Pfarrgemeinderat, führte die zahlreich erschienenen Mitglieder durch den Außenbereich und das Innere der Kirche.
Diese wurde 1953 bis 1954 nach Plänen Dominikus Böhm (1880 – 1955) unter Mitwirkung seines Sohnes Gottfried Böhm (1920 – 2021) erbaut; Gottfried Böhm wurde 1986 als erster deutscher Architekt mit dem angesehenen Pritzker-Preis ausgezeichnet, der quasi als Nobelpreis der Architektur gilt.

Im Außenbereich hat die Kirche mit ihrem parabolförmigen Grundriss durch das vorgelagerte Baptisterium (= zehneckige Taufkapelle) und dem alleinstehenden, fünfgeschossigen Glockenturm ein leicht italienisches Flair. Mit den ursprünglichen bis zur Moselweißer Straße gehenden Begrenzungsmauern entstand eine Piazza- Atmosphäre, die sich heutzutage bis zum Vorplatz der ehem. Sparkasse erweitert.
Wenn man dann die Gesamtanlage aus der Luft betrachtet und die Kirche um das Pfarrhaus und später das im gleichen Stil gebaute Kolpinghaus ergänzt, erinnert der Grundriss des Ensembles an das Gewand Christ – eine Anspielung an die berühmteste Trierer Bistumsreliquie, den Heiligen Rock.

Elisabeth-Kirche – 2022

Im Inneren erzeugen schlanke Säulen in zwei Reihen, die im Chor hinter dem Altar herumführen, einen dreischiffigen Eindruck. Diese tragen optisch eine helle Zwischendecke, die sich von der hellblauen Decke (= Himmel) abhebt – das Zelt Gottes unter den Menschen!
Im Chorraum befindet sich der freistehende Altar auf einem mehrstufigen runden Aufbau (= Gottesberg). Wenn der Priester in vorkonziliarer Zeit versus Deum und mit dem Rücken zum Volk vor dem Altar stand, befand er sich akustisch genau im Brennpunkt des parabolförmigen Grundrisses und die leise gesprochenen Wandlungsworte konnten auch ohne Lautsprecherverstärkung in der ganzen Kirche gehört werden.
An der dem Chor gegenüberliegenden Nordwand befindet sich eine elliptische Empore mit zwei zangenförmigen Treppen, auf der die mächtige Orgel steht.
Die Außenwände zeigen in einem Betonskelett eine drei Rastereinheiten hohe Struktur. Typisch für den Baustil der Böhms ist dabei das umlaufende Glas-Mosaikband in der obersten Rastereinheit, das an hellen Tagen genügend Licht in die Kirche einfließen lässt.
Im Eingangsbereich steht eine Kopie der Kalksteinfigur der heiligen Elisabeth aus der Deutschordenskommende am Deutschen Eck.
Schließlich schmückt eine aus den Trümmern der ersten, in der Steinstraße gelegenen Elisabeth-Kirche gerettete Pieta, die im Bein des toten Christus’ noch einen Glassplitter aus der Bombennacht zeigt, das Grab von Johannes Klein, dem ersten Pfarrer und Erbauer der neuen St. Elisabeth-Kirche.

Wenige hundert Meter von der Kirche in Richtung Innenstadt entfernt befindet sich zwischen Moselweißer Straße und Schlachthofstraße der alte Koblenzer jüdische Friedhof.
Eine Kaufurkunde aus dem Jahre 1303 belegt das hohe Alter dieses jüdischen Friedhofes, wo nach der Kriegszerstörung der Synagoge im Bürresheimer Hof am Florinsmarkt eine neue Synagoge mit mehreren Gemeinderäumen erbaut wurde.
Herr Christoph Simonis von der jüdischen Kultusgemeinde zeigte erst bei einem Rundgang über den Friedhof die ältesten Grabsteine, die neuen moderneren Gräber und die im Zentrum des Friedhofs gelegene Gedenkstele für die Opfer der Shoa.
Im Gebetsraum der Synagoge erläuterte Herr Simonis ausführlich die Besonderheiten eines jüdischen Gottesdienstes und die zentrale Bedeutung des Thora-Schreins. Aber auch die Regeln und Vorschriften für den Alltag einer jüdischen Familie wurden bildreich und humorvoll vorgestellt.
Abschließend bestand die Gelegenheit am ‚Kabbalat Schabbat‘ teilzunehmen, dem traditionellen Beginn des Schabbats an jedem Freitagabend.

Dieter Gube, Koblenz

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