Große Narrengala beim Leseverein

Pointierte Büttenreden und flotte Tänze sorgten für einen runden Genuss

Als sich die Mitglieder des Katholischen Lesevereins 1863 erstmals offiziell „zu guter Lektüre“ versammelten, hatten sie natürlich nicht nur die Kultur im Sinn. Die altehrwürdige Gesellschaft gab schon immer rauschende Feste. Ihre Kappensitzung gehört schon seit Jahren zum Besten, was man sich im Koblenzer Karneval antun kann. Und am Samstagabend gab es schon wieder eine Steigerung.

Sonderlich verwöhnt werden die Schängel vom Koblenzer Sitzungskarneval derzeit wirklich nicht. Aber jeder Verein hat starke Akteure, die auch den überregionalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Beim Katholischen Leseverein ist es eine gute Tradition geworden, zum großen Finale des Sitzungskarneveals noch ein-mal die Besten der Besten auf die Bühne der Rhein-Mosel Halle zu holen. Und die „Lese-Organisatoren“ wie Stephan Otto und Sitzungspräsident Michael Hörter haben bekanntlich das richtige „Händchen“, wenn es um die richtige Mischung geht.

Auch wenn die „Lese“ wenig Eigengewächse auf die Bühne schickt, ist es dem Verein gelungen, der Kowelenzer Faasenacht einen eigenen Stempel aufzudrücken. Auch am Samstagabend verschmolzen Elemente des klassischen Karnevals und Comedy – das anspruchsvolle Publikum dankte es mit guter Laune und prächtiger Stimmung, die in der Rhein-Mosel-Halle alles andere als selbstverständlich ist. Es war der Abend der närrischen Poeten und der Spötter, denen der Fanfarenzug Grün-Gelb von der Karthause den Weg bereitete.

Der Sitzungspräsident ließ zunächst einer Dame den Vortritt: „Protokollaria“ Kirstin Sopp gab ihr närrisches Debüt in der Lesebütt und ließ vergangene „Untaten“ in Berlin und Koblenz Revue passieren. Dabei fehlte auch der seherisch-mahnerische Blick nach vorn nicht. Und es gab den Traum, dass Politiker als Angestellte bei Ikea geläutert werden. Dazu passte die Vision vom Zentralplatz als blühendem Buga-Schängelpark und der Umbau des maroden Stadtbads zum Tropengarten.

Aber auch die Männer zeigten sich als Meister des geschliffenen Vortrags. So präsentierte sich Heimwerker Lothar Hoffmann als „Mann für alle Fälle“. Kurt Mendyka von den Kapuzemännern Kesselheim war seine Verzweiflung über die Machtübernahme der Frauen deutlich anzusehen: Es sei zum Haare raufen, sogar am Vatertag gingen sie jetzt wandern und saufen. Er fühle sich nur noch als halber Mann, seitdem seine Gemahlin die Fernbedienung des Fernsehers kontrolliere.

Auch Heri Lehnert von der Blauen Bütt hat sich eine Dame ausgesucht: „Deutschland ist in den Wechseljahren, denn die Regierungsperioden sind unregelmäßig. Jetzt soll Ängie sehen, wie sie damit klarkommt“. „Knacki“ Deuser zeigte zunächst Macho-Qualitäten, riss aber dann mit seiner Interpretation von Romeo und Julia und mit verblüffender Jonglage das Narrenvolk von den Stühlen.

Nach der Brautschau des „Eifelbauers“ Stefan Vogt schlug die Stunde des gewohnt grandiosen Werner Laube als Speerspitze der Klamaukpartei gegen den Werteverfall. Es war aber auch ein Abend der tänzerischen Höchstleistungen. Mit dabei: Die Engel und Teufel vom HCV, die 13 Zwerge vom gelb-roten Männerballett und die feurigen Piraten, die ebenfalls von der Narrenzunft entsandt worden waren. Akrobatisches Glanzlicht der vierstündigen Gala war jedoch das Gastspiel der Grün-Wei-ßen-Funken aus Kölsch-Büllesbach, die ihre Mariechen mit atemberaubenden Würfen von einer Gruppe zur nächsten schweben ließen.

(sil/ka)
Quelle: http://rhein-zeitung.de/06/02/20/BK/00000202.html
 20.02.2006 © RZ-Online

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