Show-Mix für verwöhnte Narren

Traditioneller und alternativer Karneval trafen sich bei der hochkarätigen Sitzung des Lesevereins in der Rhein-Mosel-Halle.

Der politische Karneval lebt! Allerdings kommen die „bösartigsten“ Beiträge aus dem „blauen“ Lager. Die Mittwochs-Sitzung des Katholischen Lesevereins zeigte einmal mehr, dass traditionelle Kowelenzer Faasenacht und „Blaue Bütt“ gut zusammenpassen. Diese Mischung ist ein Rezept gegen leere Säle!

Die Koblenzer Narren schöpften zum offiziellen Abschluss des Sitzungskarnevals noch einmal so richtig aus dem Vollen. Viele derjenigen, die in der Stadt auf dem närrischen Parkett Rang und Namen haben, waren der Einladung des Katholischen Lesevereins in die Rhein-Mosel-Halle gefolgt – um auf der Bühne zum fröhlichen Finale zu blasen. Obwohl das anspruchsvolle Publikum vieles sah, was man in dieser Session bereits auf anderen Bühnen gesehen hatte, wurde die Narretei recht spannend.

Der straffe Fahrplan und die intelligente „Sitzungschoreografie“ sorgten für einen kurzweiligen Abend, den der wortgewandte Michael Hörter (MdL) auch in seinem 17. Jahr als Sitzungspräsident souverän meisterte. Dass bei der „Lese“ einiges anders ist, zeigte sich schon zu Beginn. Das vom Fanfarenzug „Grün-Gelb“ Karthause, den Stadtsoldaten und Gästen vom KV Waldfischbach in der Pfalz gestaltete traditionelle Auftaktsbild wurde abrupt durch den „Lese-Prolog“ von Melina Möhlich unterbrochen. Die „zwangsmaskierte Antikarnevalistin“ nahm die „Beklopptenzeit“ unter Beschuss und erntete wie bereits bei den Husaren-Sitzungen viel Beifall – ebenso wie Leo Wingen, der seine Leidenschaft fürs Protokoll dieses Mal in einer französisch akzentuierten Bistroatmosphäre auslebte. Der Mann von der „Großen“ brach mit Konventionen, während sein Vereinskollege Hans Nobel ganz klassisch seine Koblenzer Kostbarkeiten zum Besten gab. Dieser Spannungsbogen stand für ein kontrastreiches Programm, das Organisatoren und Aktive strikt durchzogen. Die Entdeckung des Abends war jedoch Christoph Hartmann von den Metternicher Funken. Laut und furchtlos würdigte der Schüler vor großer Kulisse die Vorzüge eines antiautoritären Unterrichts für die Entwicklung von frühreifen Genussmenschen. Auch hier gab es einen Kontrapunkt. Und den verkörperte „Felix“ alias Wladi Elsner, dem das Witzrepertoire niemals auszugehen scheint.

Gegensätzliches war auch in Sachen Schautanz zu erleben. Währen die „Hexen“ von den „Rheinfreunden“ und die „Indianer“ vom Horchheimer Carneval Verein gekonnt Party feierten oder in den Wilden Westen reisten, wagte sich die Showtanzgruppe der rot-weiß-goldenen Funken an der Grenze zu Neuland. Markenzeichen: schwierige Schrittfolgen und absolut synchrone Bewegungsabläufe.

Exzellente Vorträge lieferten auch die Gäste ab, die nicht zur Koblenzer Karnevalsszene gehören, allen voran Sparkassen-Mann Lothar Hoffmann, der in fein geschliffenen Reimen über die Katastrophen beim Aufbau eines in 36 Raten finanzierten Campingzeltes berichtete. Sehr politisch wurde Heri Lehnert, Alterspräsident der „Blauen Bütt“. Kostprobe: „Hartz IV ist wie ein String-Tanga. Das Allernotwendigste wird abgedeckt, den Rest kann man sich in den […] schieben.“

Ein verbales Feuerwerk zündete „Knacki“ Deuser, der aus einem Pärchen-Spieleabend mit gewinnsüchtigen Männern und streitsüchtigen Frauen folgenden Extrakt zog: „George Bush führt deshalb Kriege, weil er beim Memory die zweite gelbe Ente nicht bekommen hat.“ Auch der unvermeidliche Ausflug nach Köln fehlte nicht. Den gestalteten Adi Kurtscheid von den „Kapuzemännern“ mit der Kapelle Hommen, während die „kölsche“ Grün-Weißen Funken das spektakuläre Finale der „Lese-Sitzung“ krönten.

Reinhard Kallenbach

Quelle: Zeitungsarchiv RZ-Online

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