Narren in der Rhein-Mosel-Halle (er)lebten die Zukunft des Karnevals

Toller Büttenzauber erneuerte die „Lese“

Damit hatten selbst Kenner nicht gerechnet: Dass ausgerechnet der Katholische Leseverein dem Koblenzer Sitzungskarneval ein neues Gesicht geben würde, war in der Tat eine Überraschung. Die „Lese“ sorgte mit einem Büttenzauber der Sonderklasse einen Abend lang für viele glückliche Gesichter.

Schulterklopfen, Gratulationen und warme Worte für einen fröhlich grinsenden Präsidenten: So viele Komplimente taten gut – sie waren übrigens nicht übertrieben. Michael Hörter (MdL) und seine Mitstreiter hatten dieses Mal bei der Organisation ein besonders glückliches „Händchen“ gezeigt. Ergebnis: Vier Stunden voller knackiger Reden und feuriger Tänze, darunter gleich mehrere Premieren.

Doch nun der Reihe nach: Beim farbenfrohen Auftakt mit Stadtsoldaten, Fanfarenzug Karthause und der Garde der Rheinfreunde schien noch alles wie immer zu sein. Aber schon Stephan Ottos (zweites) Protokoll deutete an, dass sich nicht nur in der „Lese-Bütt“ ein Generationswechsel vollzieht.

Mit griffigen Reimen frei nach Wilhelm Busch blies der Protokoller den Regierenden den Marsch und gab ihnen mit auf den Weg: „Lügen haben kurze Beine. Man sieht sich im Leben zweimal“ (in der Wahlkabine).

Lothar Hoffmann war für viele die Entdeckung des Abends. Als „Rentner“ sinnierte der Sparkassen-Kommunikationschef über die privaten Folgen des Ruhestands mit Dauergegenwart der Ehefrau („Was da an Liebe übrig bleibt, ist Stoff, aus dem Mann Dramen schreibt“). Köstlich auch der Beitrag von Manfred Molitorisz, der den Klassiker „Ein Münchner im Himmel“ auf seine Art interpretierte.

Als weise erwies sich der Vorstoß der „Lese“, die „andere“ Szene mit ins Boot zu holen. Das hat es in Koblenz so noch nicht gegeben. Und so konnte Heri Lehnert aus der Blauen Bütt seelenruhig vorschlagen, dass man den Kaiser den Holländern schenken solle, damit die nicht mehr das Eck zu parken. Klasse auch die Premiere von „Knacki“ Deuser mit flotten Sprüchen („Zwei Kannibalen essen einen Clown. Sagt der eine: Das schmeckt aber komisch“) und seinem „Rollschuh-Tisch-Stepptanz“. Die Gemeinde war begeistert, ebenso von den rhetorisch perfekten Beiträgen von Werner Laube und Militärdekan Carl Ursprung. Nachdenklich stimmte dagegen Hans Nobel, weil er Missstände in Land, Kommune und Altstadt anprangerte. Obwohl es ein Abend der Bütt war, gab’s viel Musik und Tanz. Die Damen der „Kapuze“, die Rot-Weiß- Goldenen und die die „fliegenden“ Funken vom Zippchen aus Asbach faszinierten nicht nur die Männer. Besonders schön: Die Wüsten- und Puppenshow der Ballettschule Stützer (Gabriele Mertens) mit perfekter Technik und schönen Kostümen. Unbegreiflich, dass es Vereine gibt, die auf solche Gäste verzichten wollen.

 Reinhard Kallenbach

Quelle: Zeitungsarchiv RZ-Online

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