»Freiheit, die ich meine« mit Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels

Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels

Fastenbesinnung mit Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels am 17. März 2018 in der City-Kirche
Der Besinnungsnachmittag war ein großer Erfolg. Über 100 Mitglieder und Gäste kamen in die City-Kirche zum Vortrag von Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels, einem der profiliertesten Theologen Deutschlands.

Sein Vortrag stand unter der Überschrift »Freiheit, die ich meine«.
Mit seiner unnachahmlichen Rhetorik begeisterte er uns mit seinen Ausführungen, die zum Abschluss mit langanhaltendem Applaus bedacht wurden.

Danach trafen wir uns zum Kaffee im Cafe im Rathaus.
Nach dem anschließenden Gottesdienst kamen wir dann noch bei Wein und Brot in der DRK-Begegnungsstätte zu guten Gesprächen und musikalischer Umrahmung zusammen.

Nachfolgend ein Auszug aus seinem Vortrag:
Die »Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt« wird nach einem alten deutschen Volkslied heute noch besungen.
Sie scheint aber einigermaßen gefährdet zu sein. Und das nicht nur in der Gegenwart, sondern wohl zu allen Zeiten, an die wir uns erinnern lassen. Etwa zum Jubiläum der „Magna Charta Libertatum“ von 1215, in der die Freiheit bereits im Plural erscheint, nämlich als die Freiheitsrechte von bereits Freien, die sich die Unterdrückung vonseiten des Königs nicht mehr länger gefallen lassen wollten.
Inzwischen kommt einem der altehrwürdige Begriff der Freiheit wie eine leere Hülse vor, die sich mit allerlei unterschiedlichen und einander konkurrierenden Inhalten füllen läßt. Wie andere klassisch-universale Großbegriffe, also etwa Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden, hat er seine Dignität weithin eingebüßt, und ist wohl auch deshalb zu einer gefährlichen Phrase degeneriert, weil er allzu oft umgedeutet und mißbraucht worden ist. Relativ harmlos sind noch Wortgebilde wie „Beinfreiheit“, die für deutsche Autofahrer besonders wichtig zu sein scheint, und die „Große Freiheit“, nach der in Hamburg eine Seitenstraße zur Reeperbahn benannt ist. Eine öffentliche Gefahr geht hingegen von jener politischen Propaganda aus, die mit dem Freiheitsbegriff Schindluder treibt und ihn zur Camouflage freiheitsberaubender Bestrebungen benutzt. Für totalitäre Bewegungen und Systeme bezeichnend ist die Verheißung von Freiheit und Befreiung, eine verführerische Rhetorik, die von Nationalsozialisten und Kommunisten erfolgreich angewandt wurde. Die säkulare Verheißung eines „Tausendjährigen Reiches“ endete bekanntlich in einer völkermörderischen Katastrophe, und das marxistische „Reich der Freiheit“ entpuppte sich als eine neue Form der Sklaverei.
Diese „Gefährliche Erinnerung“ an das 20. Jahrhundert heute noch ins Feld zu führen, wird von vielen Zeitgenossen als anachronistische Warnung, als Produkt einer pessimistisch-reaktionären Unheilsphantasie wahrgenommen. Und in der Tat verfehlt die Beschwörung vergangener Freiheitsbedrohungen oft ihren pädagogischen Zweck, weil die Imperative „Nie wieder!“ oder „Wehret den Anfängen!“ heute auf ganz andere Situationen, Vorstellungen und Mentalitäten stoßen, die einen kurzschlüssigen Vergleich mit den Verhältnissen des vorigen Jahrhunderts kaum zulassen. Immerhin leben wir in einem freien wiedervereinigten Deutschland, eingebettet in Europa, im „freien Westen“ also mit der Schutzmacht der USA im Rücken, deren Symbol die Freiheitsstatue, und deren Dollarmünze die Aufschrift „Liberty“ und „In God we trust“ trägt.
Wir genießen wohlstandsgesättigt jenen Pluralismus, den der „westliche“ Individualismus hervorgebracht hat, und der die Parole „Du darfst!“ nicht nur in konsumistischer, sondern auch in politisch-rechtlicher Hinsicht reklamiert. Aber mit dem liberalen Gebot „Du darfst!“ verbindet sich zunehmend das freiheitseinschränkende moralisch-rechtliche Verbot des „Du darfst nicht!“ „Du darfst“ bespielsweise ungeborene Kinder und vielleicht auch alte und schwerkranke Menschen töten. Aber dies zu verbieten steht Dir nicht zu. Hier deutet sich inhaltlich bereits ein Kontrast an, der die „westliche“ Zivilisation von jener des jüdisch-christlichen Abendlandes unterscheidet, das in den Zehn Geboten seine normative Begründung und Begrenzung der Freiheit fand.

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