Eine Karnevalssession ohne „Lese“ gibt es nicht

Unser Verein ist eine Besonderheit im Reigen der Koblenzer Karnevalsvereine, ist er doch gar kein Karnevalsverein. Trotzdem wird in der „Lese“ immer schon Fastnacht gefeiert; eine Karnevalssession ohne die „Lese“ gibt es nicht.

Lese-Schiff

Lassen sich die Anfänge des Karnevals in der „Lese“ heute nicht mehr genau rekonstruieren, sind doch viele Namen noch bekannt. Männer, die schon vor dem Ersten Weltkrieg den Karneval in unsrem Verein prägten, waren: Josef Eisenach, Anton Kilzer, Wienand Jechel, Moritz und August Watrinet.

Der Erste Weltkrieg zwang ebenso zur Pause wie die Gleichschaltung des Katholischen Lesevereins im Jahr 1937.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen Wienand Jechel und Peter Keil die ersten Sitzungen und Bälle wieder aufleben. Willi Dienz wurde Präsident. 1952 übergab er dieses Amt an das damals jüngste Elferratsmitglied Willi Hörter. Unser späterer Oberbürgermeister hatte sich die ersten Sporen als Protokollarius der „Lese“ verdient, wo er seinen Vater Willy Hörter sen. abgelöst hatte. 20 Jahre blieb Willi Hörter Präsident der Lese, bis ihm nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister (1972) Alfons „Itsche“ Sauerborn als neuer Präsident folgte.

Unter Itsche Sauerborn, unserem verstorbenen Ehrenmitglied, erhielten die Sitzungen jedes Jahr ein neues Motto. Der Elferrat war entsprechend kostümiert; ein neues Bühnenbild wurde gestaltet.

Über Schlossherren, Bücherwürmer, Lesezirkus und Marktplatz brachten Itsche und unser Elferrat viele Themen auf die Bühne. In dieser Zeit produzierte der Veranstaltungsausschuss den jährlichen Sessionsorden selbst. Im Werkraum von Gerhard Genzler wurden Jahr für Jahr die originell-kunstvollen Emailorden liebevoll hergestellt.

Nach 13 Jahren übergab Itsche Sauerborn 1985 das närrische Zepter an Rudi Schmidt, im „Nebenamt“ auch Präsident des Dähler Bornskrug. Die Tradition selbsthergestellter Orden blieb erhalten.

Im Jubiläumsjahr 1988 (125 Jahre Katholischer Leseverein) wurde Michael Hörter neuer Präsident, er setzt seitdem die Familientradition fort.

Im Jubiläumsjahr hatte sich der Elferrat etwas Besonderes einfallen lassen. Präsentierte er sich in der ersten Halbzeit als alte Herren aus der Zeit des Gründungsjahrs 1863, war er nach der Pause in der Gegenwart angekommen: 11 Punker, meisterlich von Artur Kraeber gestaltet. Das fast fünfstündige Programm stand unter dem Motto:

„Lese-Sitzung-Jubel-Lese, 125 Jahre immer schon gewese.“

Auch in den folgenden Jahren griff der Elferrat Themen auf und stellte die Sitzungen unter ein bestimmtes Motto.

Der „Lese“-Karneval lebt von den Aktiven des Veranstaltungsausschusses, die Jahr für Jahr mit viel Liebe und Freude die Sitzungen vorbereiten. Über viele Jahre war Itsche Sauerborn ihr „Vorsitzender“. Heute ist es Hans Breuer.

1991 wurde eine neue Ordensserie aufgelegt. Die Ära der selbstgefertigten Orden bei Gerhard Genzler ging zu Ende.

Mit der zerstörten Karmeliterkirche beginnend, wurden Koblenzer Gotteshäuser gewürdigt. Wegen des Golfkrieges sagten in Deutschland überall die Karnevalsoberen die fröhlichen Tage ab, so auch die AKK in Koblenz. Der Orden mit der Karmeliterkirche war bereits ausgeliefert, kam aber praktisch nicht zur Verleihung.

Im folgenden Jahr wurde die „frischerhobene“ Basilika St. Kastor dargestellt. Prominenteste Ordensträger waren der Apostolische Nuntius Erzbischof Dr. L. Kada und der Bischof von Stockholm, Dr. H. Brandenburg. Die Serie wurde bis 2001 fortgesetzt und ein begehrtes Sammelobjekt in Kreisen der Karnevalisten. Seit 2002 präsentieren wir alte Orden aus längst vergangenen „Lese“-Tagen in Neuauflage.

Einen Einschnitt ganz anderer Art gab es 1994. Unser Sitzungspräsident Michael Hörter wurde Prinz Karneval. Erstmals in ihrer 4 x 11-jährigen Geschichte stellt die AKK den Prinzen. Peter Burger schrieb zum Ende der närrischen Session: „Die Koblenzer Narrenwelt erlebt eine der schönsten Kampagnen der letzten Jahre. Welch ein Prinzenpaar! Michael Hörter und Karin Jost gelang es mühelos zu beweisen, dass sie alles andere als eine Notlösung waren.“

Koblenz hatte zwar einen Prinzen, die „Lese“ aber plötzlich keinen Präsidenten. Aber wir wären nicht die „Lese“, wenn wir für diese einmalige Situation keinen adäquaten Ersatz gehabt hätten. Unser Vorsitzender Dr. Ewald Thul erklärte sich bereit einzuspringen und präsentierte eine grandiose Sitzung.

1995, der Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle war eindeutig zu klein geworden, die Nachfrage nach der Lesesitzung längst so gestiegen, dass wir in den großen Saal wechseln mussten. Ein neues Bühnenbild wurde erstellt. Toni Scherpe entwarf einen riesigen Clown, der die ganze Bühne der Rhein-Mosel-Halle beherrscht. Der ganze Elferrat – bis zur Unkenntlichkeit geschminkt – steckte in bunten Clownskostümen. Dieses farbenprächtige Bild bestimmt die Lesesitzungen seitdem.

1999 besteigt einer der ganz Großen, nach 10-jähriger Abstinenz, wieder die Bütt: Werner Laube, der Redner der Klamaukpartei. Jahr für Jahr erfreut er nun – ausschließlich in der Bütt der „Lese“ – mit seinen geschliffenen Reden unser Publikum.

Peter Burger titelte in der Rhein-Zeitung nach der Sitzung dieses Jahres: „Katholischer Leseverein präsentierte das Beste aus dem Karneval der Stadt“.

In der Tat kamen und kommen viele Redner gerne zur „Lese“. Sie schätzen die gemütlich-familiäre Atmosphäre.

Unmöglich, alle Namen aufzuzählen! Einige seien doch genannt: Karl Rosenbaum, Rolf Diell, Heinz Grindel, Monika Kräber, Peter Fischer, Karl Wörsdörfer, Dieter Siefarth, Hans Nobel und viele mehr. Auch viele „Eigengewächse“ wie Sonja Werner, das „Lesequatschtett“ (Peter und Sabine Alfter, Nico Thomé und Stefan Helm), Hermann-Josef Wittbecker, Peter Kloke, Peter Iven, Dieter Balzer, Rolf Perscheid und unser neuer Protokollarius Stefan Otto gaben und geben den Sitzungen der „Lese“ eine unverwechselbare Note.

Es sind aber nicht nur die Redner, die gerne zur „Lese“ kommen. Die Koblenzer Tanzgruppen genießen einen hervorragenden Ruf. Viele von ihnen sind Rheinland-Pfalz- oder Deutsche Meister. Sie bereichern jedes Jahr unsere Sitzungen. Seit 2002 begeistert auch die Ballettschule Stützer unser Publikum.

Lassen wir nochmals Peter Burger zu Wort kommen: „Du glückliches Koblenz! Welch tolle Weine wachsen doch an den Rebhängen von Rhein und Mosel. Welch närrische Gewächse sind hier zu Hause. ‚Kellermeister’ Michael Hörter weiß nur allzu gut, in welchem Keller die besten Tropfen lagern. So präsentierte er in der ‚guten Stube der Stadt’ eine Aus-‚Lese’ der Besten des Koblenzer Karnevals.“

Katholischer Leseverein und Karneval – eine alte, doch immer jung gebliebene Tradition, die aus Koblenz nicht wegzudenken wäre.

Fazit: Et war on es immer widder scheen gewese!
H. Breuer

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