150 Jahre Katholischer Leseverein e.V.

Pontifikalamt und Festakt am 5. Mai 2013 in der Basilika St. Kastor

„Glauben fördern und Gesellschaft mitgestalten!“

Papst und Bischof ermutigen Katholischen Leseverein zur 150-Jahrfeier

Koblenz. – In einem Festhochamt mit dem Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann in der Koblenzer St. Kastor-Basilika und einem anschließenden Festakt hat der Katholische Leseverein e. V. Koblenz der 150. Wiederkehr seiner Gründung gedacht. In einem aus diesem Anlass bei der Feier in der Basilika verlesenen Schreiben ruft Papst Franziskus den Verein auf, den Herausforderungen der heutigen Zeit auch künftig mutig zu begegnen.

Papst Franziskus bekräftigt in dem Schreiben die Notwendigkeit, in einer Zeit, in der das christliche Bewusstsein vielerorts schwinde, „den Glauben im persönlichen und öffentlichen Leben zu fördern und auf der Grundlage des Evangeliums und der Lehre der Kirche Gesellschaft und Zukunft mitzugestalten“. Das Bemühen darum sei aktueller denn je. „Diesen Auftrag möge der Katholische Leseverein weiterhin kraftvoll erfüllen.“ Mit diesen Worten fasste der Papst in dem von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone unterzeichneten Schreiben seine Glückwünsche zusammen.

Der Text im Original:

An die Mitglieder und Freunde
des Katholischen Lesevereins Koblenz

Papst Franziskus hat davon Kenntnis erhalten, dass der Katholische Leseverein Koblenz in diesen Tagen sein 150. Gründungsjubiläum feierlich begeht. Der Katholische Leseverein kann auf eine reiche Geschichte mit eindrucksvollen Beispielen des Einsatzes für Glaube und Kirche zurückblicken. In einer zeit, in welcher der christliche Humus vielerorts schwindet, ist das Bemühen, den Glauben im persönlichen und öffentlichen leben zu fördern und auf der Grundlage des Evangeliums und der Lehre der Kirche Gesellschaft und Zukunft mitzugestalten, aktueller denn je. Diesen Auftrag möge der Katholische Leseverein weiterhin kraftvoll erfüllen. Dazu erteilt der Heilige Vater den Mitgliedern und allen, die am Festgottesdienst in der Basilika St. Kastor und am Festakt zum 150-Jahr-Jubiläum des Katholischen Lesevereins Koblenz teilnehmen, von Herzen den Apostolischen Segen.

Der Leseverein war im Januar 1863 in Koblenz mit dem Ziel der Förderung christlicher Lebensführung gegründet worden. Seit 1997 ist er auch für alle anderen christlichen Konfessionen geöffnet. Sein Einzugsbereich reicht über Koblenz hinaus bis nach Trier, Bonn und Köln.

Pfarrer Wolf

In seiner Begrüßung des Bischofs und der Festgäste in der bis auf den letzten Platz belegten St. Kastor-Basilika wies der Koblenzer Pfarrer und Stellvertretende Dechant Stephan Wolff, darauf hin, dass diese Eucharistiefeier eine „gemeinsame Danksagung für ein 150-jähriges christliches Zeugnis“ sei. „Dass wir 150 Jahre nach der Gründung zu dieser Danksagung zusammen gekommen sind, beweist, dass das christliche Fundament, auf dem dieser Verein basiert und gegründet wurde, vital und gut ist“, sagte er.

Bischof Ackermann appellierte in dem Festgottesdienst an die Mitglieder des Lesevereins sowie an die traditionsreichen katholischen Vereine allgemein und an alle Christen, sich in der heutigen Zeit „nicht von Traurigkeit überwältigen zu lassen“. Die Christen sollten „nicht nostalgisch auf ein paar glanzvolle Zeiten zurückschauen“, die die Kirche erlebt habe. Dann nämlich bestehe die Gefahr, dass Bitterkeit aufkomme. Bitterkeit aber sei „nicht attraktiv“ und schrecke die Mitmenschen ab. Das bedeute keine Absage an die Trauer, aber niemand dürfe sich von Traurigkeit überwältigen lassen. Es gelte vielmehr, „mit Nüchternheit und Aufmerksamkeit“ auf die konkrete Situation der heutigen Zeit zu schauen und gleichzeitig auf Gottes Wort zu hören. Bischof Ackermann wörtlich: „Wenn das die Haltung ist, aus der heraus sie ihr Jubiläum feiern, dann schauen sie nicht nur mit Stolz auf 150 Jahre zurück, sondern dann bleibt der Katholische Leseverein auch in Zukunft lebendig und erfüllt eine wichtige Funktion für heute und in Zukunft“. Den Leseverein in seiner jetzigen Struktur charakterisierte er als „eine Form der Gemeinschaft, die in ökumenischem Geist wirkt, aber auch die eigene Herkunft und das Profil nicht verleugnet.“

Bosbach MdB: Mit Mut für die christliche Überzeugung kämpfen

Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach ging in dem Festvortag im Anschluss an den Gottesdienst ebenfalls auf die geänderte Lebens- und Glaubenssituation in der heutigen Zeit ein und betonte die damit verbundene Herausforderung der Christen. „Unsere Sorge als Christen muss nicht sein, dass zu viele Muslime in die Moschee gehen; unsere Sorge muss eher sein, dass zu wenige Christen in die Kirche gehen“, sagte er. Er rief die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, im privaten wie im öffentlichen Leben mutig zu ihrer christlichen Überzeugung zu stehen und das Feld nicht „den anderen“ zu überlassen. Er erinnerte daran, dass die christliche Botschaft eine „Frohe Botschaft“ sei und fügte hinzu: „Wenn wir in dieser Weise zu unserer religiösen Überzeugung stehen und auch für sie kämpfen, wenn einmal Gegenwind aufkommt, dann werden wir Menschen gewinnen können, die noch unserer Glaubensüberzeugung fern stehen oder sich von ihr, aus welchen Gründen auch immer, getrennt haben. In diesem Zusammenhang äußerte er die Überzeugung: „Wenn wir die Menschen, die nicht oder noch nicht dem Christentum nahestehen, für unseren Glauben begeistern wollen, dann dürfen wir ihnen nicht mit der Hölle drohen, sondern dann müssen wir vom Himmel schwärmen.“ Die Vereinsmitgliedern rief er auf, wie in der Vergangenheit so künftig in Politik und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen und sich einzumischen: „Denn gerade der Christ engagiert sich nicht nur in der Gemeindearbeit sondern auch für sein Land und insbesondere für diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihre Interessen wirksam vorzutragen und ihnen Geltung zu verschaffen.“ Als Beispiele nannte Bosbach den Einsatz der Christen für den Schutz des ungeborenen Lebens, für die Kranken, die Armen und die Schwachen in der Gesellschaft.

Zu Beginn des anschließenden Festaktes umriss der Vereinsvorsitzende Dr. Ewald Thul die zahlreichen Aktivitäten des Katholischen Lesevereins. Diese reichen von Besinnungstagen in der Fasten- und Adventszeit, Fahrten zu Kirchen und Klöstern, dem regelmäßigen Besuch alter und kranker Menschen bis zu Vortragsveranstaltungen kultureller und religiöser Art. Der Stadt Koblenz fühlt sich der Verein in vielfacher Weise verbunden. So schenkte er den Bürgern das Glockenspiel auf dem Jesuitenplatz und ließ die Cusanus-Stele vor der Florinskirche errichten, die an den großen Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues erinnert.

Der Oberbürgermeister von Koblenz, Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, würdigte in seinem Grußwort den Katholischen Leseverein als einen „bedeutenden Faktor im kulturellen Leben unserer Stadt“. Dabei erinnerte er auch an die Mitwirkung des Vereins an dem Koblenzer Karneval. Es sei jedes Jahr eine große Freude, die humorvollen Reden der Vereinsmitglieder in der fünften Jahreszeit zu erleben.

Musikalisch begleiteten die Jubiläumsfeier die Mädchenkantorei und der Jugendkammerchor der Liebfrauenkirche Koblenz, das Streichquintett und das Bläserquartett der Rheinischen  Philharmonie unter der Gesamtleitung von Regionalkantor Manfred Faig.

Nach dem Festakt lud der Stellvertretende Vorsitzende des Lesevereins, Michael Hörter, die Gäste aus Nah und Fern zu einem Umtrunk in den Blumenhof von St. Kastor ein.

Dr. Alfons Waschbüsch

Von der Festrede Bosbachs waren alle begeistert; das zeigten die Gespräche, welche die Festteilnehmer beim anschließenden Treffen im Blumenhof bei “Brot” und Wein noch lange miteinander führten.

Insgesamt: Es war ein gelungenes Fest und ein Höhepunkt im Leben der Lese. 

Fotos: R. Brennig

Die Rhein-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 06. Mai 2013 :

Katholischer Leseverein feierte 150-jähriges Bestehen

Jubiläum Pontifikalamt und Festakt in der Basilika St. Kastor:
MdB Wolfgang Bosbach sieht engagierte Christen als Lobby der Schwachen

Von unserem Redakteur Reinhard Kallenbach

Koblenz. 150 Jahre Katholischer Leseverein: Ein Anlass, eine große Tradition zu feiern und optimistisch nach vorn zu schauen. Es kam nicht von ungefähr, dass die Wortbeiträge bei der Jubiläumsfeier in der Basilika St. Kastor mit feinem Humor gewürzt waren. Das Interesse der Koblenzer war auf jeden Fall gewaltig. Die Organisatoren mussten Stühle dazu stellen.

Ungefähr 400 Mitglieder hat die Gesellschaft heute. Sie prägt nach wie vor das kulturelle und gesellschaftliche Leben von Koblenz – etwa durch das große Neujahrskonzert oder die „Lese-Sitzung“. Die ursprünglich im Zuge des Dauerkonflikts mit der preußischen Obrigkeit gezogene konfessionelle Grenze ist längst verwischt. Seit 1997 nimmt der Verein auch offiziell Protestanten auf. „Spät, aber nicht zu spät“, betonte Vorsitzender Ewald Thul zu Beginn des Festaktes, bei dem die lange, oft unruhige Geschichte – anders als von vielen erwartet – nicht im Mittelpunkt stand. Vielmehr ging es um Chancen und Probleme der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Das hatte sich bereits beim vorausgegangenen Pontifikalamt angedeutet, als der Trierer Bischof Stephan Ackermann in seiner Predigt das Leitthema des Festaktes vorgab: die Verantwortung von Christen in der modernen Welt und die Bereitschaft zum Dialog mit anderen Kulturen. Diesen Gedanken nahm Wolfgang Bosbach in seiner Festrede auf. Der streitbare Bundestagsabgeordnete sprach nicht als Politiker, sondern als Christ, der sich um leere Gotteshäuser sorgt. „Wir dürfen nicht mit der Hölle drohen, sondern müssen vom Himmel schwärmen“, mahnte der Politiker, zu dem der stellvertretende Vorsitzende Michael Hörter einen guten Draht hat – deshalb auch seine Zusage für den Festvortrag in Koblenz. Trotz des ernsten Themas sorgte Wolfgang Bosbach immer wieder für heitere Mienen. Mal scherzte er über den alten Streit zwischen Koblenzern und Trierern über die Frage, wer wohl in der schöneren Stadt lebe, mal über die Vorzüge des Lebens im Rheinland: Während heute in den USA jede achte Ehe über Kontakte im Internet zustande komme, habe er seine Frau noch beim Rosenmontagszug kennengelernt. Das war nur eine der Geschichten, mit denen der Vorsitzende des Innenausschusses den dramatischen Wandel unserer Tage illustrierte, der für ihn nur mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist.

Ob der Wandel zur Wissensgesellschaft zwangsläufig zu einer Ellenbogengesellschaft mit computersüchtigen Individualisten führt? Für Wolfgang Bosbach lautet die Antwort eindeutig Nein. Mit Blick auf den gelungenen musikalischen Rahmen des Festaktes – gestaltet von der Mädchenkantorei, dem Jugendkammerchor Liebfrauen und Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie – sagte der Politiker: „Wir haben eine großartige junge Generation, denen wir das Land übergeben können.“ Das zeigte: Kulturpessimismus ist für Wolfgang Bosbach keine Option. Für ihn hat trotz der zahlreichen Kirchenaustritte gelebtes Christentum nach wie vor Perspektiven, vor allem dann, wenn Christen sich für die Schwächsten in der Gesellschaft engagieren – Kinder und Ältere, die keine Lobby haben. Das aktuelle Problem ist für ihn nicht, dass Muslime in die Moscheen gingen, sondern immer weniger Christen in die Kirchen. Letztere seien nur noch an Weihnachten voll – eine Tatsache, die fast an Jahreshauptversammlungen erinnere.

Im weiteren Verlauf seiner Rede ermunterte Wolfgang Bosbach die Bürger, sich zu engagieren. „Politik ist zu wichtig, um sie ausschließlich den Politikern zu überlassen“, betonte der Politiker mit Blick auf die Tatsache, dass nur 2 Prozent der Bundesbürger einer Partei angehören. Als Positivbeispiel nannte er den Leseverein, dessen Verdienste um Kulturpflege im Allgemeinen und die Literaturpflege im Besonderen zuvor auch Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig gewürdigt hatte.

Foto: Kallenbach

RZ Koblenz und Region vom Montag, 6. Mai 2013, Seite 13 www.rhein-zeitung.de.

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